Lange Zeit schrieb ich nicht. Das hatte mehrere Gründe, denn mein Leben veränderte sich nochmal drastisch. Menschen, die immer an meiner Seite zu sein schienen, waren es nicht. Im Nachhinein wurde mir vorgeworfen ich wäre eine große Last gewesen, ich müsste mein Leben lang dankbar dafür sein, dass manche Menschen bei mir geblieben sind während der Krankheit anstatt mich zu verlassen bei der Diagnose.
Ich fühlte mich total wertlos, hatte Angst, Panik und wusste weder ein noch aus. Dieser Psychoterror machte mich noch kranker innerlich als der Brustkrebs es je tat. Meine Launen während der Therapien wurden darauf zurückgeführt, dass ich einen an der Waffel hätte, mein Blog darauf, dass ich geil auf die Öffentlichkeit wäre und mein immenser Lebenswille wurde als purer Egoismus gedeutet. Ich wurde immer kleiner und kleiner und machte mich irgendwann selbst dafür verantwortlich je krank geworden zu sein und mein Umfeld mit reingezogen zu haben. Selbst belogen und betrogen zu werden schrieb ich mir selbst zu. „wer will denn schon eine Frau ohne eine richtige Brust und die nicht nach einer Frau aussieht…?“ fragte ich mich. Der Spruch
Erst mit langen Haaren und neuen Brüsten bist du wieder ansehnlich!
traf mich tief. Ziemlich lange hatte ich daran zu knabbern.Doch dann kam die Wende. Die Brustrekonstruktion begann im März 2016 mit einem Expander, der die Haut auf der rechten Seite weitete. Drei Mal wurde dieser mit einer Kochsalzlösung aufgefüllt. Schon die erste Wölbung löste so starke Glücksgefühle in mir aus, dass ich die halbe Welt hätte umarmen können. Leider vertrug ich die OP gar nicht gut und hatte sehr starke Schmerzen. Ich brach zusammen, hatte Fieber und übergab mich mehrmals. Wie so oft war ich allein. Ich freute mich als mein damaliger Partner mit mir aß, jedoch ging es primär nicht darum mit mir zu essen. Wie eine richtige Frau fühlte ich mich schon lange nicht mehr und das Gefühl wie ein Mensch geschätzt und geliebt zu werden war mir fremd.
Den Sommer daraufhin kostete ich voll aus. Ich ging auf fünf Festivals, machte manchmal drei Tage lang durch und wollte einfach nur noch spüren, dass ich noch lebe bis in jede tiefste Ader. Jeder Atemzug machte mir klar, dass ich noch da bin. Bis in den Morgengrauen tanzte ich und fiel dann todmüde in mein Auto. Den Regen und die Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren, zu lachen, zu tanzen, frei zu sein gaben mir endlich wieder das ersehnte Gefühl ein Teil dieser normalen Welt sein zu dürfen. Jeder Atemzug war wie eine Sternschnuppe die durch mein Herz schoss.
Als dann die zweite Brustaufbau-Operation im März 2017 mit Silikon bevorstand, verstand ich, dass sich etwas ändern musste. Denn wieder wurde mir dieses Gefühl vermittelt, ich müsse mich dankbarer zeigen, dass ich überhaupt Besuch bekam im Krankenhaus. Es war wie ein Jahr zuvor, es hatte sich nichts geändert. Ich wusste, dass es mir das Herz brechen würde. Zu begreifen, dass eine Zerreißprobe einen manchmal nicht zusammenschweißt sondern voneinander trennt war für mich der schlimmste Schmerz. Noch schlimmer als diese ganze Krankheit zusammen. Dennoch wusste ich, dass ich wieder eine Frau sein wollte. Ich wollte wieder geschätzt und geliebt werden so wie ich bin. Ich wollte, dass jemand für mich da ist, weil er gern für mich da ist und mich liebt mit allen Ecken, Kanten und Narben. Sei es auf der Haut oder im Herzen.
Das Tamoxifen nervte mich einfach total. Diese anstrengende Antihormontherapie, bei der ich jeden Tag eine Tablette nehmen musste, versetzte mich tagtäglich in mehrmalige Schweißausbrüche und generell fühlte ich mich nicht gut. Aus diesem Grund beendete ich die künstliche Menopause in Absprache mit meiner Ärztin. Wir verabredeten, dass ich mich sofort melde sobald eine Verschlechterung meines Zustands eintreten würde. Vier Monate nach Absetzen des Medikamentes war wirklich alles zurück was mich je als Frau ausmachte. Und ich freute mich unendlich.
Im Oktober 2017 hatte ich dann die ersehnten Untersuchungen.: MRT/ CT/ Knochenszintigraphie. Einen Tag lang von Termin zu Termin sprinten, Kontrastmittel spritzen lassen, Wasser trinken, nächste Untersuchung, warten, rein in die Röhre, tobende Geräusche, raus, warten, nächste Röhre. Je länger die Krankheit zurück liegt, desto mehr Angst habe ich vor den Untersuchungen. Als das Ergebnis eine Woche später kam, liefen die Tränen meine Wangen herunter.
Es ist alles sehr gut ausgefallen, wir konnten nichts feststellen…warum sind Sie traurig?
fragte meine Onkologin. Ich schluchzte: „Ich freue mich, aber ich hätte diesen Moment so gern mit jemandem geteilt, mit dem ich das alles zusammen durchgestanden hätte, der mir bedingungslos zur Seite gestanden hätte…in guten wie in schlechten Zeiten…so wie wir es anfangs auch gesagt hatten.“ Doch dann merkte ich, dass dieser Moment nur noch mir gehörte. Und ich wusste ich hatte es geschafft. Ganz allein.
Die Brustwarzenrekonstruktion kam dann im Februar 2018. Zuerst die Mamillenrekonstruktion. Dazu wird die Haut auf meiner rechten Brust wie ein Kleeblatt eingeschnitten, hochgeklappt und zusammen genäht. Fertig ist die Mamille. Und drei Monate später kommt dann endlich das Tattoo für den Warzenhof, dann bin ich endlich wieder komplett. Meine Haare sind mittlerweile wieder schulterlang, meine Brust ist wieder da und ich bin glücklicher als je zuvor. Das war aber auch nicht einfach, denn ich habe hart an mir gearbeitet. Disziplin, Sport, gute Ernährung und meine persönliche Weiterentwicklung standen ganz oben auf meiner Agenda. Das Buch „Das innere Kind muss Heimat finden“ half mir hier sehr gut, wenn ich nicht weiter wusste. Mittlerweile lebe ich wieder in der schönsten Stadt der Welt Hamburg, habe mir mein Traumauto gekauft (einer aus Bayern 🙂 ), wohne im Grünen und gönne mir alles was Spaß bringt und mir gut tut. Meine Freunde inspirieren mich jeden Tag aufs neue und machen mich glücklich, da sie mich so schätzen und lieben wie ich bin. Manchmal muss ich mich selbst kneifen, da ich es kaum begreifen kann, so glücklich und zufrieden zu sein. Und vor allem gesund.
Meine Freizeit verbringe ich immer noch gern in der Natur mit Wuschel (mein Teddyzwergkaninchen), der mein treuester Begleiter seit meiner Krankheit ist. Auch wenn er nur ein kleines Kaninchen ist, so hat er ein großes Herz welches mir genau sagt wer gut zu mir ist und wer nicht. Da faucht er gern mal den Handwerker an und zeigt ihm wer hier der Mann im Hause ist :). „Was ist denn das für eine Kampfkatze?!“ „Das ist ein Kaninchen…“ (*Kopfschüttel*) Und damit auch er nicht so allein ist, während ich meinem Traumberuf nachgehe und dabei auf die Elbphilharmonie blicke, hat auch er einen treuen kleinen Begleiter bekommen. Teddy. Er war nicht gewollt von seiner Familie, sie wollten ihn verhungern lassen, schnitten ihm nicht die Krallen und ließen ihn in einer Wanne mit Urin und Kot zurück. Bei uns ist er mehr als willkommen. Die Moppels&ich, zu dritt machen wir nun die Welt unsicher.
Es geht im Leben nicht darum, sich das Leben gegenseitig schwer zu machen. Sondern darum, sich auch in schlechten Zeiten beizustehen auch wenn sie von langer Dauer sind, um so wieder gemeinsam die Freude des Lebens wieder genießen zu können. Denn wenn ich für jemanden etwas tue, dann mache ich es gern, und nicht, weil ich etwas zurück erwarte. Denn nicht jeder kann dir gleich etwas zurückgeben, besonders wenn du in Not bist. Auch wenn du erst viel später etwas zurückbekommen solltest was du einmal gegeben hast, dann ist es einfach nur ein Bonus der ein Lächeln auf deine Lippen zaubert.
Erst kürzlich stand ich mit einer Freundin, die auch einst an Brustkrebs erkrankt war, auf der Tanzfläche und wir umarmten uns. Dabei sagte sie mit einem Strahlen zu mir
Ich bin so froh, dass wir gemeinsam hier gesund und glücklich sein dürfen!
Mein Kampf hat sich gelohnt, 2,5 Jahre nach Beendigung meiner Therapien stehe ich wieder voll im Leben und das besser und stärker als je zuvor. Wenn ich manchmal zurückblicke, strahle ich über mein kleines Imperium welches ich mir selbst aufgebaut habe in der kurzen Zeit.
I didn’t write for while because of several reasons. My life changed drastically again. People that seemed to be by my side left me long time ago. After I almost recovered I was blamed that it’s been a burden being with me, I had to be grateful for the rest of my life that certain people stayed with me after I got sick instead of leaving after I got diagnosed with breast cancer.
I felt worthless, I was scared, I panicked, and I didn’t know what to do. This psycho terror made me sicker than the breast cancer ever did. Because I was moody during the therapies I was blamed to have lost the plot, because I wrote my blog I was blamed to need the public interest, and my pure will to survive was named as pure egoism. I became smaller and smaller and at some point, I even felt that it was my fault that I got sick and took advantage of people being there for me. Even being lied to and cheated on I felt that it was my fault.
ich kann es nicht verstehen, dass menschen zu einem anderen menschen auf distanz gehen wegen dessen krankheit. wir kennen solche erfahrungen – allerdings nicht wegen krebs, sondern wegen behinderung. in unserer patientenorganisation, wo sehbehinderte und blinde menschen gemeinsam für verbesserung der situation arbeiten, gibt es etliche fälle, wo erkrankte bei denen die sehfähigkeit allmählich nachließ, dann auch von ihren ehepartnern verlassen wurden.zum glück gibt es auch die gegenbeispiele – und das macht mut genau wie dein artikel…
beste wünsche und bleib am ball
p.
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Lieber Peter,
Es gibt oft diese Fälle , nur wie du sagst gibt es auch die anderen Fälle. Es lohnt sich am Ball zu bleiben und Kommunikation ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Alles Liebe
Su
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Liebe Su,
ich verfolge deinen Blog seit August 2015, als ich mit 37 selbst die Diagnose Brustkrebs erhielt. Dein Humor und deine Stärke haben mir immer Kraft und Mut auf meiner eigenen Achterbahnfahrt gegeben, ein dickes Dankeschön dafür.
Es macht mich traurig, dass du von Menschen, die dir nahe standen, enttäuscht wurdest, aber umso glücklicher, dass du wieder strahlst. Ich wünsche dir alles Gute. 😊 Bleib wild und frech und wunderbar.
Viele Grüße aus dem Süden Deutschlands
Andrea
Nächste Woche geht’s nach Hamburg Schiffe gucken und Fischbrötchen essen.
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Du bist so süß liebe Andrea,
Ich hoffe es geht dir wieder gut! Und Hamburg hat dir gefallen ?
Alles Liebe
Su
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Hamburg ist soooo schön. Wir waren schon mehrmals dort.. Laufen bis die Socken qualmen, immer an der Elbe lang, Michel und Elbtunnel rauf und runter. Unsere zweitliebste Stadt in Deutschland ist Leipzig.
Mir geht es gut.. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich in den Spiegel gucke und mir denke, hey, wer ist diese Süße da mit den Sommersprossen und dem frechen Kurzhaarschnitt. in naturbraun.
Seit der Diagnose habe ich gelernt, mich so anzunehmen und zu lieben, wie ich bin. Ich muss mich für niemanden verstellen, denn ich kann mir meine Schokolade selber kaufen. 😉
Liebe Grüße
Andrea
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Du sprichst mir aus der Seele liebe Andrea. Wenn du das nächste mal hier bist melde dich gern und wir treffen uns auf einen Kaffee. Ich würde mich freuen.
Drück dich!
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Hy Susan ich grüsse dich
zuerst einmal danke für deine Offenheit uns allen gegenüber, es ist nicht selbstverständlich diese Dinge so mit der Welt zu teilen. Dann möchte ich dir sagen wie mutig und tapfer du gewesen bist, ich war ja nicht dabei aber aus den Zeilen liest es sich heraus. Irgendjemand hatt einmal gesagt: „es geschieht alles zu deinem Vorteil, du musst es nur sehen“ keine Ahnung wer aber ich hatte lange an diesem Satz zu kauen. Was ich damit sagen will ist dass du Erfahrungen gemacht hast die mit nichts vergleichbar sind und nun verfügst du über inneres Wissen und innere Stärke die immens sind. Du wärst aus meinen Augen ein perfekter top Coach der den Schatten und die Sonne des Lebens kennt. Denn diese Welt braucht Coaches und zwar die besten!
Eine sehr inspirierende Story
mit den besten Grüssen
Luca Scheuermeier
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Danke Luca! Alles Liebe
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