Ein dicker Arm, eine dicke Hand, prall gefüllt, mal mehr, mal weniger. Das ist mein Lymphödem.
Der Krebs hatte in 2014 schon in die Lymphknoten „gestreut“. Deshalb mussten letztendlich 10 in Brust und unter der Achsel entfernt werden. 3 von den entfernten Lymphknoten waren befallen, also waren die Krebszellen schon weitergewandert.
„Durch das Entfernen der Lymphknoten kann ein Lymphödem entstehen,“ sagte meine Onkologin. Das muss aber nicht so sein. Durch das Entfernen der 10 Lymphknoten war das Lymphsystem gestört und musste sich neu finden. Manchmal aber kann es sein, dass diese Bahnen nicht neu zusammenfinden und es sich dadurch staut. Anfangs war auch nichts von einem Lymphödem zu sehen. Die rechte Brust entfernten die Ärzte 2014, 2016 bekam ich einen Expander in meine rechte Brust eingebaut. Dieser dehnte meine Haut, so dass irgendwann eine Silikonbrust dort entstehen konnte. Bis dahin war alles noch fein. Beim Einbau des Silikons 2017 fing alles an. Nach ein paar Wochen wurde meine Hand dick, dicker, und irgendwann richtig prall. Als hätte ich zugenommen oder total viel Wasser in der Hand. Mein Arm ging noch, es war fast nur meine Hand die dick war. Manchmal spannte diese so sehr, dass es weh tat.

Ich sprach es bei meiner Ärztin an die mir Lymphdrainage verschrieb sowie einen Strumpf für meinen Arm. Ein Kompressionsstrumpf für den kompletten Arm, von den Fingerkuppen bis zur Schulter. Diesen Kompressionsstrumpf bekomme ich als Patient alle 6 Monate, die Krankenkasse zahlt die ca 350€ und ich zahle lediglich 10€ dazu.
Die Firma Media bietet Kompressionsstrümpfe für Lymphödeme an, entweder für den kompletten Arm und zweiteilig, Hand und Arm geteilt. Bunte schrille Farben gibt es auch noch für die die es gern bunt mögen, denen es egal ist zu zeigen, dass man einen Kompressionsstrumpf benötigt. Mittlerweile gibt es viele die so einen Strumpf benötigen, und dass nicht nur für den Arm sondern auch fürs Bein. Und nicht immer hat ein Kompressionsstrumpf etwas mit Krebs zu tun.
Ich suchte mir zum ersten Mal einen pinken zweiteiligen Strumpf aus. Die Farbe Fuchsia gefiel mir gut, jedoch befand sich auch schnell Dreck an den Fingerkuppen und des öfteren musste ich den Strumpf ausziehen zum Arbeiten. Es gibt den Strumpf auch mit freien Fingerkuppen für Patienten die am Laptop arbeiten. Da meine Fingerkuppen jedoch auch dick werden, wollte ich das ganze Paket haben. Bei der Arbeit trug ich den Strumpf jedoch nicht mehr so oft, da es mich störte und ich kaum Gefühl durch den Stoff auf die Tasten hatte. Der Strumpf, der am Handgelenkt zudem überlappte, engte mich an der Stelle ein. Die Stelle am Handgelenk schnitt sich ein und mein Handrücken wurde immer dicker. Auch mit der Lymphrainage wurde es nicht wirklich besser. Ich mochte den Strumpf kaum noch tragen, höchstens beim Sport.


Den Kompressionsstrumpf wusch ich per Hand mit Seife und ließ ihn trocknen. Nach ca einem Jahr ließ ich mir ein neues Rezept für einen Strumpf geben, denn es nervte mich mit der dicken Hand. Immer mal sprach mit jemand drauf an „Du wurdest wohl von einer Biene gestochen?“ Anstatt zu sagen, dass Krebs der Auslöser für das Ödem sei, antwortete ich „Ja ich hatte einen Skiunfall, seitdem ist das so.“ Ich bin vorsichtiger geworden mit meiner Geschichte fremden gegenüber. Denn nicht jeder verträgt es gleich zu hören, dass ich Krebs habe. „Oh Gott, so jung, ich weiß gar nicht was ich sagen soll…“ Ich lerne die Menschen erst besser kennen und einschätzen bevor ich meine Geschichte erzähle. Denn nicht der Krebs macht mich aus. Der Krebs lebt mit mir und nicht ich mit dem Krebs.
Der neue Kompressionsstrumpf ist grau und einteilig. Von den Fingerkuppen bis zur Schulter lang ist das Teil und gar nicht so einfach anzuziehen. Lange Fingernagel sollte man dabei nicht haben, da diese wirklich brechen könnten oder es gibt jemanden der einem hilft. Besonders bei Hitzewallungen muss ich warten bis diese vorüber sind. Denn Schweiß stoppt das Überziehen enorm. Den neuen Strumpf ziehe ich nur noch zum Schlafen oder zum Sport an. Dummerweise wurden die Maße nicht richtig genommen, so dass der Daumen nicht durch die Fingerkuppe passt. Also stecke ich den Daumen nicht durch die Kuppe sondern in die Hand hinein. Das passt momentan ganz gut, jedoch ziehe ich mir den Strumpf automatisch im Schlaf aus, weil es anfängt zu jucken. So ganz optimal ist dieser Kompressionsstrumpf noch nicht für mich angepasst. Mal schauen wie der nächste Strumpf wird. Irgendwann habe ich eine komplette Sammlung und kann immer wieder auf ein neues Paar zurückgreifen.
Die Kompressionsstrümpfe leiern nach einiger Zeit aus, so dass ich sie auf jeden Fall waschen muss. Am meisten merke ich das auf dem Handrücken, so dass hier am meisten Lymphwasser sich sammelt. Ein Chiropraktiker empfahl mir nicht viel Fett zu mir zu nehmen, da sich dadurch mehr Lymphwasser sammelt und nicht abgetragen werden kann. Zudem ist es gut Sport zu machen und die Faszien zu bearbeiten. Wenn die verschiedenen Gewebeschichten verklebt sind, hat das Lymphwasser keine Chance abgetragen zu werden. Dadurch gibt es immer einen dicken Arm. Und das ist wirklich so. Es geht mir besser, wenn ich mich fettfrei ernähre und auf meine Ernährung achte.
Das Lymphödem kommt nicht bei jedem Patienten. Es kann zwischen 4 Monaten und 10 Jahren dauern bis das Lymphödem zum Vorschein kommt. Ich finde es irgendwie nervig, aber ich stehe dazu. Auf Bildern drehe ich mich so hin, dass mein rechter Arm nicht sichtbar ist und meine Kleidung wähle ich so aus, dass mein rechter Arm durchpasst. Abdrücken sollte ich diesen nicht mit Gummibändern, da das echt komisch aussieht mit solchen Druckstellen rumzulaufen und das nicht gut für das Lymphsystem ist. Wenn die angedickten Stellen nicht bearbeitet werden, kann es sogar vorkommen, dass sich das Lymphwasser verdickt und so bleibt. Dafür nutze ich dann meinen Igelball den ich über meinen Handrücken fahre oder einen Massageroller.


Meine Oma sagte immer „Sanchen, es tut mir so weh deine kranken Arm so zu sehen.“ Dabei tat es mir noch mehr weh, sie am Ende so leiden zu sehen. Das Lymphödem, es gehört zu meinem Krebs mit dazu, aber es beherrscht nicht mein komplettes Leben. Es ist ist wie im normalen Leben wo negative Erfahrungen zum Leben dazu gehören. Ich versuche aus den negativen Situationen zu lernen, sie in mein Leben einzubinden. Genau wie meinen dicken Arm, der mich den einen Tag mehr, den anderen Tag weniger ärgert. Und ändern kann ich an der Situation nichts, außer immer versuchen sie zu verbessern.
Aus jeder Situation das Beste machen, das ist die Kunst des Lebens.