Versunken im Nirgendwo

Es schneit und hört nicht auf zu schneien. Irgendwo versteckt in den Bergen von Österreich steht eine 500 Jahre alte Holzhütte. Dort treffen wir uns alle. Menschen die ich nicht oft sehe, aber eine wundervolle Zeit verbringe. Ohne Internet, ohne TV, ohne Telefon. Einfach nur auf das Nötigste besinnen. Ein Kachelofen beheizt das Wohnzimmer und die Küche, trocknet die Skisachen und wärmt erfrorene Seelen wieder auf. Hier unterhält man sich, hier wird auf den anderen geachtet. Wir fahren Langlauf mit Skiern, gehen snowboarden, rutschen den Berg runter. Mir geht es gut dabei, sehr gut, denn ich habe mich trotz Chemo auf den Winter gefreut. Klar habe ich noch nicht so viel Kraft und Muskeln wie vorher, dennoch reicht es für 3 Stunden snowboarden. Mal ist mir schwindelig. Dann heißt es: anhalten und eine heiße Schokolade schlürfen. Dann geht’s wieder ab auf die Piste. Dass ich nicht mehr so kann wie früher belastet mich schon manchmal. Besonders wenn ich andere sehe, die sich gerade auf ein Baby freuen. Sie hatten Glück dieses Jahr, ich Pech mit dem Krebs. Oder vielleicht doch Glück, da es noch rechtzeitig entdeckt wurde und ich hoffentlich bald geheilt bin. Mir kommen die Tränen, ich vergrabe mich im Bett. Ich flüchte in die Dusche wo sich meine Tränen mit dem Duschwasser verbinden und zusammen durch den Abfluss verschwinden. Zurück im Bett mache ich Musik an, um wieder etwas fröhlicher zu werden und plötzlich geht die Tür auf. Mein Freund kommt herein und legt sich zu mir, wischt mir die Tränen weg, hält mich in seinen Armen. „Du hast schon so vieles gemacht bis jetzt, lass dich nicht hängen.“ Aber es fehlt mir einfach meine Weiblichkeit die eine schwangere Freundin momentan nur mehr als genug hat. Sie hat megagrosse Hupen, ich hab nur noch einen Mops. Sie ist voll Hormone, ich habe keine mehr, fühle mich leer. Ihre Haare sind lang, meine raspelkurz. Ich bin nicht mehr frei wie früher, sondern abhängig von Ärzten und Medikamenten. Sie kann einfach so schwanger werden, ich vielleicht niemals. Kinder zu bekommen wird nicht leicht, vielleicht niemals möglich sein. Nicht dass ich jetzt Kinder haben will sondern einfach der Fakt alles auf einmal genommen zu bekommen, die Möglichkeit nie mehr bestehen könnte tut schon weh. Ich freue mich für sie, doch innerlich zerreißt es mich. Und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll.
Diese Hormontherapie, ich hasse sie schon irgendwie. Ist zwar nur eine Tablette täglich, aber mein Körper lebt dadurch ohne Hormone. Alles was mich als Frau ausgemacht hatte ist nun weg. Aber ganz ehrlich, ich war Gott sei dank nie ein grosser Busenfreund, und genau aus dem Grund mache ich meinen Hintern wieder knackig und rund. Das Boarden und Sport hilft. Und mein Freund auch. Ich bin froh, dass es ihn gibt und er immer für mich da ist. „Komm, wir schaffen das, wir haben schon so viel geschafft. Ich brauch‘ dich doch“, flüstert er mir ins Ohr. Wir umarmen uns, küssen uns und gehen zu den anderen die Chili con Carne für 20 Leute gekocht haben.

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