Meine Innere Kraft

Im Mai lief alles schlechter, die Therapien wirkten nicht mehr, ich baute rasant ab und verlor den Glauben an alles. Auch an mich selbst, denn ich konnte nichts mehr kontrollieren. Ohne eine wirksame Therapie bei metastasierten Brustkrebs war ich aufgeschmissen. Ich brauchte Kraft und Zuversicht, doch woher sollte ich diese holen. Mein Umfeld war machtlos und hilflos, zog sich zurück. Und ich, ich lag einfach nur noch da, Tag für Tag.

Also zog ich mich zurück von allem, denn ich war frustriert über die Situation und alles was es mit sich brachte.

Wie konnte ich aus dieser Situation selbst kommen?

Ich stand zuerst für mich ein und wollte, dass mein Arzt mich ernst nimmt. Bei jeder Verschlechterung sagte ich sofort bescheid. Mein Arzt verstand mich und den Ernst der Situation. Innerhalb von nicht mal 2 Monaten veränderten wir 3x die Therapie. Wir griffen auf alte Therapien zurück. Diese wirkten besser als der neueste Shit. Es gab Momente, da sah ich die Radieschen schon von unten. Die Therapie Trodelvy zerstörte mich komplett, es ging immer mehr abwärts und ich konnte nichts dagegen tun. Auch ein positives Mindset half hier nicht. Physisch gesehen hatte der Krebs meinen Körper überrannt. Eine wirksame Therapie war die einzige Rettung in diesem Moment.

Aktuell erhalte ich wöchentlich Taxol mit einer Dosisreduktion auf 70%. Meine Blutwerte sind noch nicht ganz stabil und schwanken immer wieder. Deshalb erhalte ich zusätzlich Blutkonserven für die roten Blutkörperchern oder auch eine Spritze, damit die weißen Blutkörperchen sich erholen. Diese sind leider oft unter 2 gerutscht, so dass dann normalerweise keine Therapie möglich ist. Bei einem Wert von unter 1 müsste ich auf eine Quarantänestation gebracht werden. Ich gebe niemandem die Hand (mochte ich noch nie) und kaufe mit Maske ein. Ist mir auch ganz recht, denn es gehen wirklich viele Menschen krank zur Arbeit oder raus.

Das Arztgespräch

Am 5. August 2025 noch das Gespräch mit meinem Arzt:

CT war schon da, Ultraschall der Leber alle 2 Monate oder nach Bedarf früher.

Das Gleitgel rauf auf den Ultraschallroller, rauf auf die Leber.

Es ging ganz schnell.

„Ich brauch gar nicht viel schauen“, sagt er. 

„Die Leber war zu 80% befallen, jetzt sind es maximal 40% nur noch, wir machen weiter mit Taxol Dosis 70%, da die Blutwerte immer etwas abrauschen & wir die Therapie weiterhin wöchentlich machen können.“ Der Rest in meinem Körper ist auch zurückgegangen oder komplett weg.

„Gibt es noch etwas was Sie mir sagen möchten?“ fragt er.

„Danke, dass Sie mich gesehen haben und danke, dass Sie mich ernst genommen haben“, antworte ich mit Tränen in den Augen.

Endlich eine Therapie die wieder wirkte!

Rückzug

Zuhause zog ich mich zurück. Ich löschte WhatsApp und Instagram vom Handy, zog mich in mein Lieblingszimmer zurück und schaffte mir eine angenehme Umgebung. Musik auf den Ohren, der Blick an die Decke oder den Himmel. Da ich das Haus nicht verlassen konnte, weil ich so schwach war, waren dies meine einzigen Möglichkeiten. Immer dabei mein Kaninchen. Um mich herum Natur und Musik.

Zu mir zurückfinden

Jeden Morgen, Mittag und Abend machte ich Atemmeditationen von BreathQ und verband mich mit mir selbst, indem ich meinen Körper wieder wahrnahm. Ich massierte meine Füße, legte ein Wärmekissen auf meinen Oberkörper und fing an mich zu erinnern. An die Momente in meinem Leben an denen ich nichts hatte, es aussichtslos schien und ich trotzdem Zuversicht hatte, dass alles gut werden würde. Ein Shiatsu Massage Gerät für den Nacken fand ich auch noch, das tat gut am Nacken. Ganz bewusst fing ich an mein Nervensystem zu regulieren, mich zu entspannen, mich zu entstressen was gleichzeitig dazu führte, dass ich mich besser fühlte. Ich las Bücher wie „Der Selbstheilungsnerv“ oder „Das Buch vom Meer“

Erinnere dich

Sommer 2005, 150€ Bargeld in der Tasche, ein Flug nach Ibiza, keine Unterkunft, ich kannte niemanden dort.

Herbst 2005, 20€ Bargeld in der Tasche, ein Flug nach Leeds/ England, einen Koffer voller Sommerklamotten, keine Unterkunft, ich kannte niemanden. 

Trotz der Umstände wusste ich immer: Alles wird gut werden, egal wie. Das schlimmste was passieren könnte: Am Strand oder im Bahnhof schlafen zu müssen.

Und: ich hatte mich. Meine innere Kraft war wieder geboren.

Was bedeutet es, für sich selbst einzustehen?

Im Alltag bedeutet es zum Beispiel:

  • Nein zu sagen, wenn man überfordert ist oder etwas nicht möchte.
  • Eigene Gefühle zu äußern, auch wenn sie unangenehm sind oder Konflikte auslösen könnten.
  • Grenzen zu setzen, z. B. in Beziehungen, bei der Arbeit oder im Kontakt mit der Familie.
  • Sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht – ohne sich dafür zu schämen.
  • Zu den eigenen Werten zu stehen, auch wenn man damit aneckt.

Auf einer tieferen Ebene:

  • Es bedeutet, Selbstverantwortung zu übernehmen – nicht darauf zu warten, dass andere einen „retten“ oder verstehen.
  • Es heißt, sich selbst ernst zu nehmen – auch dann, wenn andere das nicht tun.
  • Es ist ein Ausdruck von Selbstachtung und Selbstfürsorge.

Was es nicht ist:

  • Es heißt nicht, stur, egoistisch oder rücksichtslos zu sein.
  • Es bedeutet nicht, immer Recht haben zu müssen oder andere zu dominieren.

Wenn du für dich einstehst…

… stärkst du dein inneres Gleichgewicht.
… wirst du klarer in deinen Beziehungen.
… lernst du, dich selbst zu halten – auch wenn andere es gerade nicht können.
… erkennst du: Deine Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die der anderen.


Warum es so wichtig ist, gesehen zu werden

1. Bestätigung der eigenen Existenz

Wenn du dich gesehen fühlst, bekommst du das Gefühl: „Ich bin da. Ich bin wichtig. Ich zähle.“
Das ist essenziell für unser Selbstwertgefühl – besonders in Beziehungen oder in Zeiten, in denen wir uns schwach oder verletzlich fühlen.

2. Bindung & Beziehung

Gesehen zu werden bedeutet oft auch: „Ich werde ernst genommen.“
Ohne diese Erfahrung entstehen oft emotionale Distanz, Einsamkeit oder sogar Misstrauen. In Partnerschaften, Freundschaften oder in der Familie kann das Gefühl, unsichtbar zu sein, tiefe Wunden hinterlassen.

3. Spiegelung & Selbstwahrnehmung

Wir erkennen uns selbst oft erst durch den Blick der anderen. Wenn jemand sagt:

„Ich sehe, wie viel du kämpfst.“
„Ich sehe deinen Schmerz.“
„Ich sehe, dass du dich bemühst.“
… dann gibt das Orientierung. Es hilft, dich selbst in deiner Ganzheit zu spüren – auch mit den Teilen, die du vielleicht selbst nicht (mehr) so deutlich wahrnimmst.

4. Schutz vor innerem Rückzug

Wer nie gesehen wird, beginnt irgendwann, sich selbst zu übersehen. Man passt sich an, wird stiller, kleiner, funktionaler – bis hin zu dem Punkt, an dem man sich selbst verliert.
Gesehen zu werden ist ein Schutz davor, sich innerlich aufzugeben.

5. Heilung

Gerade nach belastenden Erfahrungen, chronischer Krankheit oder emotionalem Missbrauch ist es ein tiefer Akt von Heilung, wenn jemand aufrichtig sagt:

„Ich sehe dich. Ich glaube dir. Ich bin da.“
Das kann ein Gegenpol zu innerer Scham, Ohnmacht oder dem Gefühl sein, nicht genug zu sein.


💡 Ein paar Gedanken zum Weiterfühlen:

  • Wann hast du dich das letzte Mal wirklich gesehen gefühlt – und von wem?
  • Und umgekehrt: Wem hast du zuletzt wirklich in die Seele geschaut?
  • Was macht es mit dir, wenn du lange nicht gesehen wirst?
  • Was brauchst du heute, um dich in deinem ganzen Sein wahrgenommen zu fühlen?

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Ich schreibe gerne Texte und das was ich fühle, denke und sehe in der Welt. Seit 2014 tue ich dies ganz unabhängig und definiere mich nicht über Werbung. Falls du mich unterstützen magst, schmeiß gern einen digitalen Taler in meine Kaffeekasse. Ich danke dir! Und wenn nicht, dann ist das auch kein Beinbruch. Denn meine Texte und Gedanken sind für alle da.
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Eine Antwort auf „“

  1. Spannende Frage, die du da formulierst. In der letzten Frage verwendest du das Wort „wahrgenommen“. Sehr gut. Denn es ist umfassender als „gesehen zu werden“. Gesehen hat mich heute niemand, weil ich in meiner Schreibbude den ganzen Tag beschäftigt war. Wahrgenommen wurde ich aber recht oft – vor allem in Gesprächen per Phone. D. h., die Leute haben mich gehört und ich die Leute. Und es waren intensive Gespräche. Ich habe also auf dieser Audio-Ebene den stark spürbaren Eindruck, da zu sein. Kann sein, dass diese Audio-Ebene für Leute wie mic, die ja mit den äugen nicht wirklich gut zugange sind, eine größere Rolle in Sachen Wahrnehmung spielt als die visuelle.
    Dir noch einen angenehmen Abend sagt Peter

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