Viele Menschen mit metastasiertem Brustkrebs wissen nicht, dass es inzwischen über die bekannten BRCA1- und BRCA2-Gene hinaus erweiterte genetische Testungen gibt. Diese Tests können entscheidend sein, um gezielte Therapien zu ermöglichen. Dennoch werden sie oft nicht proaktiv angeboten.
In diesem Beitrag teile ich meine persönliche Erfahrung mit der genetischen Testung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und zeige dir, wie du selbst aktiv werden kannst, um Zugang zu diesen wichtigen Untersuchungen zu erhalten.
Warum ist eine erweiterte genetische Testung wichtig?
Genetische Testungen untersuchen, ob erbliche Veränderungen (Mutationen) im Erbgut vorliegen, die für die Entstehung von Krebs verantwortlich sein könnten. Während früher vor allem die Gene BRCA1 und BRCA2 untersucht wurden, umfasst die erweiterte Testung heute bis zu 18 weitere Gene, darunter PALB2, CHEK2 und ATM.
Bei mir wurden folgende Gene getestet:
ATM, BARD1, BRCA1, BRCA2, BRIP1, CDH1, CHEK2, MLH1, MSH2, MSH6, PALB2, PMS2, PTEN, RAD51C, RAD51D, SMARCA4, STK11, TP53
Diese Testungen sind nicht nur wissenschaftlich bedeutsam, sondern können auch ganz praktische Auswirkungen auf die Therapie haben.
Die drei möglichen Ergebnisse einer genetischen Testung:
- Es wird ein relevantes Gen gefunden: In diesem Fall könnten gezielte Therapien (wie PARP-Inhibitoren *) zum Einsatz kommen.
- Es wird nichts gefunden: Die aktuelle Behandlung bleibt unverändert.
- Es wird eine Veränderung ohne klare Therapieoption gefunden: Dies eröffnet die Möglichkeit, künftig von neuen Studien oder Medikamenten zu profitieren.
Meine persönliche Erfahrung am UKE Hamburg
Ich selbst habe eine genetische Testung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) durchführen lassen. Das Besondere: Das UKE Hamburg hat sich um den gesamten Ablauf gekümmert – von der Antragstellung bei der Krankenkasse bis zur Durchführung der Untersuchung. Da ich bereits seit 2018 dort Patientin bin, lief alles wie am Schnürchen. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich noch etwas machen müsste.
Mein Ergebnis war glücklicherweise negativ. Doch ein negatives Ergebnis gibt mir zwar eine gewisse Gewissheit, aber keine Sicherheit. Denn so weiß ich, dass der Krebs nicht genetisch bedingt ist, dennoch habe ich dadurch nicht mehr Therapieoptionen erzielen können. Es bleibt die drängende Frage:
Woher kommt der Krebs dann – und was kann ich aktiv tun, um ihn zu bekämpfen?
Wie kommst du an eine erweiterte genetische Testung?
Leider werden erweiterte genetische Testungen bei metastasiertem Brustkrebs nicht automatisch / proaktiv angeboten. Deshalb ist es wichtig, selbst aktiv zu werden. Hier sind drei Schritte, die dir den Weg zur Testung erleichtern:
- Gespräch mit deinem Onkologen oder deiner Onkologin
- Sprich das Thema gezielt an und frage nach einer erweiterten genetischen Testung (beyond BRCA1/2).
- Weise auf mögliche therapeutische Konsequenzen hin – vor allem bei metastasiertem Brustkrebs kann dies entscheidend sein.
- Zentren mit Expertise kontaktieren
- Spezialkliniken wie das UKE Hamburg oder die Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs haben Erfahrung mit erweiterten Testungen. https://www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/familiaerer-krebs/zentren-fuer-familiaeren-brust-und-eierstockkrebs/
- Eine Übersicht solcher Zentren findest du z. B. auf den Webseiten des Deutschen Konsortiums Familiärer Brustkrebs. https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de
- Kostenübernahme klären
- Bei metastasiertem Brustkrebs übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten meist vollständig.
- Falls Unsicherheiten bestehen, kann eine genetische Beratung unterstützen.
Eine wichtige Anlaufstelle: Die Deutsche Stiftung Eierstockkrebs in Berlin
Für alle, die tiefergehende Informationen suchen oder sich nicht mit einem „Da kann man nichts machen“ zufriedengeben wollen, ist die Deutsche Stiftung Eierstockkrebs unter der Leitung von Prof. Dr. Jalid Sehouli an der Charité Berlineine wertvolle Anlaufstelle.
Die Stiftung wurde 2010 gegründet und verfolgt folgende Ziele:
- Information und Aufklärung: Bereitstellung fundierter Informationen über Eierstockkrebs und verwandte Erkrankungen.
- Forschung fördern: Unterstützung wissenschaftlicher Projekte zur Verbesserung von Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.
- Patient:innen stärken: Entwicklung konkreter Angebote zur Verbesserung der Lebensqualität.
Kostenlose Angebote der Stiftung:
- Informationsbroschüren: Umfangreiche Ratgeber zur Begleitung durch die Erkrankung. https://stiftung-eierstockkrebs.de/infomaterial/
- Patientenmagazin „Die zweite Stimme“: Ein Magazin mit Erfahrungsberichten, aktuellen Forschungsergebnissen und praktischen Tipps. https://stiftung-eierstockkrebs.de/patientenmagazin/
- Therapiebegleiter-App „Thea“: Eine digitale Begleitung durch die verschiedenen Phasen der Behandlung. https://thea-eierstockkrebs.de
- Veranstaltungen und Kurse: Regelmäßige, kostenlose Angebote für Patient:innen und Angehörige. https://stiftung-eierstockkrebs.de/projekte/
Ich selbst war im Januar 2024 bei der Veranstaltung „Die zweite Stimme“ der Stiftung in Berlin dabei. Was mich besonders beeindruckt hat, war die enorm positive, unterstützende und wertschätzende Stimmung. Hier stehen die Patient:innen im Mittelpunkt – mit all ihren Fragen, Sorgen und Hoffnungen.

Die Stiftung betrachtet den Menschen ganzheitlich: Neben der medizinischen Versorgung spielen auch das seelische Wohlbefinden und die soziale Unterstützung eine zentrale Rolle.
Warum es wichtig ist, selbst aktiv zu werden
Erweiterte genetische Testungen werden leider nicht immer automatisch angeboten – umso wichtiger ist es, dass du als Betroffene:r selbst aktiv wirst.
Diese Untersuchungen können nicht nur Klarheit über genetische Ursachen schaffen, sondern auch den Zugang zu neuen, gezielten Therapieoptionen eröffnen.
Quellen:
- Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) – Eigene Erfahrung
- Deutsche Stiftung Eierstockkrebs: https://stiftung-eierstockkrebs.de/ (Letzter Zugriff: 22. März 2025)
- Deutsches Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs: https://www.konsortium-familiaerer-brustkrebs.de/(Letzter Zugriff: 22. März 2025)
* PARP-Inhibitoren
PARP-Inhibitoren (Poly(ADP-Ribose)-Polymerase-Inhibitoren) sind Medikamente, die gezielt in die Reparaturmechanismen von Krebszellen eingreifen. Sie werden vor allem bei bestimmten Krebsarten wie Brust-, Eierstock-, Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs eingesetzt, insbesondere wenn eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation vorliegt.
Wie wirken PARP-Inhibitoren?
Gesunde Zellen besitzen Reparaturmechanismen, um Schäden an der DNA zu beheben. Einer dieser Mechanismen ist die PARP-Enzymfamilie, die bei der Reparatur von Einzelstrangbrüchen in der DNA hilft.
Krebszellen mit BRCA-Mutationen haben bereits eine defekte Doppelstrang-Reparatur (Homologe Rekombination). PARP-Inhibitoren blockieren die Einzelstrang-Reparatur, sodass die Krebszellen den Schaden nicht mehr beheben können und schließlich absterben – während gesunde Zellen sich weiterhin reparieren können.
Das nennt man den synthetischen Letalitäts-Ansatz: Zwei defekte Reparaturwege führen gemeinsam zum Zelltod.
Wann werden PARP-Inhibitoren eingesetzt?
Sie werden vorrangig bei Patient:innen mit:
- BRCA1- oder BRCA2-Mutationen
- HRD-Status (Homologous Recombination Deficiency)
- Triple-negativem Brustkrebs (TNBC)
- Fortgeschrittenem oder metastasiertem Brust- oder Eierstockkrebs
Bekannte PARP-Inhibitoren sind:
- Olaparib (Lynparza®): Für Brust-, Eierstock-, Prostata- und Bauchspeicheldrüsenkrebs zugelassen.
- Talazoparib (Talzenna®): Vor allem bei metastasiertem HER2-negativem Brustkrebs mit BRCA-Mutation.
- Niraparib (Zejula®): Wird häufig bei Eierstockkrebs als Erhaltungstherapie eingesetzt.
- Rucaparib (Rubraca®): Bei Eierstockkrebs oder Prostatakrebs mit genetischen Veränderungen.
Vorteile von PARP-Inhibitoren:
- Gezielte Therapie: Greift nur Krebszellen mit spezifischen Gendefekten an.
- Orale Einnahme: Meist als Tablette oder Kapsel verfügbar.
- Verlängerung des progressionsfreien Überlebens: Besonders bei Patient:innen mit BRCA-Mutationen.
Mögliche Nebenwirkungen:
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit, Erbrechen
- Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
- Blutbildveränderungen (z. B. Anämie)
Quellenangaben:
- https://flexikon.doccheck.com/de/PARP-Inhibitor (Letzter Zugriff: 25. März 2025)
- https://mammamia-online.de/leben-mit-krebs/medizin/brustkrebs-neue-therapieoption-bei-brca-mutation/ (Letzter Zugriff: 25. März 2025)
- https://de.wikipedia.org/wiki/PARP-Inhibitor (Letzter Zugriff: 25. März 2025)
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Olaparib_52908 (Letzter Zugriff: 25. März 2025)


