Der Krebslook / The look of cancer

Immer wieder treffe ich auf Menschen die von mir total verblüfft sind. Warum? Das weiß ich auch nicht, aber ihr Spruch ist häufig: „Du siehst gar nicht danach aus…“ Nach was? frage ich mich dann, nach Krebs? Aber wie sieht denn jemand aus der Krebs hatte? Wie ein Zombie? Wie ein Kranker der im nächsten Moment stirbt? Ist es möglich, dass man Menschen ansieht, dass sie einst an Krebs erkrankt waren und wenn ja wie?

Oft denke ich, dass viele von euch eine falsche Vorstellung vom Krebs haben. Ich zähle mich gern mit dazu, denn bevor ich an Brustkrebs erkrankte, dachte ich auch immer gleich an den Tod, an Haarausfall, an Augenringe, an ein abgemagertes etwas, das nur darauf wartete endlich sterben zu dürfen. Aber diese Krebserscheinungen sind meist von recht kurzer Dauer. Genau so schnell wie ein Trend gekommen ist, so ist er auch wieder vorbei. Und genau so kommt mir das mittlerweile auch beim Krebs vor. Der Krebs kommt und geht wie er will.


Letztes Jahr zu Halloween überlegte ich lange welches Kostüm ich nun wählen sollte. „Ich gehe einfach als Krebspatient. Für dieses Outfit habe ich ja alles, oder eben nicht.“ Die anderen waren etwas geschockt als sie mich dies sagen hörten. Ich lachte nur. Zum Weinen war mir kaum noch zumute und irgendwie musste ich doch diese Zeit sinnvoll nutzen. Wenigstens an so einem Tag wie Halloween konnte ich meine Krankheit positiv für mich nutzen. Letztenendes ging ich als Hexe, stülpte meine blonde lange Perücke auf, malte meine Augenringe noch gunkler und trug knallroten Lippenstift.

Seitdem ich kurze Haare habe trage ich sehr gern tiefroten Lippenstift. Die kurzen Haare kommen so viel besser zur Geltung und ich wirke recht frech damit. Und irgendwie gibt es mir ein wenig Weiblichkeit wieder, wenn ich schon mein Busenfreund, monsieur-ich-bin-ein-tumor-und-will-nun-tun-und-lassen-was-ich-will-mit-diesem-körper, meinen rechten Mops mit sich genommen hat.

Juli 2014: Auf Ibiza segeln
Juli 2014: Auf Ibiza segeln

Auch meine Fröhlichkeit nahm mir der Krebs nicht. Ich bin eher noch humorvoller geworden als vorher. Während meines Aufenthalts auf Ibiza zum Beispiel fühlte ich mich richtig gut, zog mir einen Minirock an, hohe Stilettos und mal wieder meine blonde Langhaarperücke (die ich übrigens die ganze Zeit über anklebte an meinen Kopf damit sie im Pool oder im Meer nicht davon schwamm). Im Spiegel sah ich recht passabel aus und schrieb Anthony aus London „Also für jemanden der Krebs hat sehe ich ganz gut aus…“ Zurück kam: „Oh Suz, so was kann auch nur von dir kommen!“ Dazu ein paar lachende Smileys. Ein letztes Mal meinen rechten Mops unter der Sonne Ibiza‘s bräunen, ein letztes Mal oben ohne gehen. Das brach mir irgendwie das Herz.

Am Abend vor der OP, am 30.September 2014, heulte ich wie ein Schlosshund und wäre am liebsten aus dem Krankenhaus abgehauen. Aber der Krebs musste endlich gehen, auch wenn es hieß meine rechte Lieblingsfreundin zu verlieren.

Am Tag der OP sprang ich in die megaheißen weißen Thrombosestrümpfe, warf dieses tolle Gewand von Nachthemd über und setzte mir eine Beanie Mütze auf, die die Schwester meiner Freundin für mich extra entwarf. Und da war er, der Krebslook. Völlig nackt unter dem Gewand, nirgendwo ein Haar zu sehen, dunkle Augenringe, trockene Haut, rissige Nägel, traurig und allein als würde ich jeden Moment zerfallen. Als würde der Krebs jeden Moment zuschlagen und sagen wollen: „Da bin ich, es kann losgehen, der Tod erwartet dich schon seit einiger Zeit, aber du scheinst dich ja zu sträuben.“

Nein, das konnte es nicht gewesen sein. So wollte ich nicht gehen und ich wollte nicht, dass mich irgendjemand so sah, so tot, so traurig, so fertig um diese Welt nun verlassen zu müssen. Bis heute weiß ich, dass ich leben will, dass mein Leben bisher viel zu kurz war und ich noch nicht alles gemacht habe was ich gern gemacht hätte.

Um so mehr ich mir dies vor Augen hielt, desto mehr rückte der Tod wieder in die Ferne.

Su nachdenklichUnd heute scheint es manchmal so als wäre das alles niemals passiert. Als hätte jemand auf einmal die Reset Taste gedrückt und ich bekam die Chance meinen Rechner nochmal neu hochzufahren.

Vom langhaarigen Blondie das nicht genau wusste wohin die Reise ging wurde ich zum Glatzkopf der völlig aus dem Leben gerissen wurde um dann endlich ein neuer Mensch mit Pixie Look zu werden, der jetzt mit beiden Beinen im Leben steht und weiß was er will.

 

Ich sage es nicht mehr oft, dass ich mal Krebs hatte, außer jemand fragt explizit warum ich denn ins Krankenhaus müsse oder warum ich noch keine Kinder habe. Und dann kommt wie immer dieser Satz „Das hab ich dir gar nicht angesehen, dass du Krebs hattest….“ Tja das hatte ich damals auch nicht, ich hatte es nur gefühlt in meiner Brust.


English Version

A lot of times I meet people who are surprised by me. Why? I don‘t really know to be honest but most of the time they say „You don‘t even look like….“ Well like what, I keep asking myself, like cancer? But how does someone look like who had cancer? Like a zombie? Like someone who is going to die within the next few minutes? Is it possible that you can tell  that someone has cancer by the look of someone and how can you tell?

Often I think that many people have got the wrong impression of cancer and I used to be one of them, too. I used to think of death, hair loss, dark wrinkles under the eyes, someone who is skinny and only waited for the final death. But these cancer apperances don‘t last very long. As soon as a trend has come the sooner it is gone again. The cancer comes and goes.

IMG_0627-0Last year for Halloween I thought about the way I should dress up. „I‘m gonna dress up as a cancer patient. I‘ve got everything for that, or not.“ The others were pretty shocked when they heard me saying that. I laughed. I couldn‘t cry anymore and somehow I had to get through that time. At least on a day like Halloween I could use my disease in a positive way for myself. In the end I went as a witch, put my long blonde wig on, got myself really dark eye patches and wore really red lipstick.

Since I have short hair I love wearing red lipstick. My pixie cut looks better with red lips and somehow it gives me some kind of female features back after my cancer already took away my right boob.

Juli 2014: Auf Ibiza segeln
Juli 2014: Auf Ibiza segeln

But the cancer could NOT take away my humor. It increased more than before. During my visit in Ibiza I felt so good, I wore a mini skirt, high heels and long blonde wig (which was stuck on me with me glue so it wouldn‘t leave me in in the water. When I had a look in the mirror I looked quite alright and sent a message to my friend Anthony saying: „I look quite good for someone who has got cancer.“ And he said back: „Oh Suz, only you can say that!“ and many laughing smileys. For the last time my right boob saw the un of Ibiza, for the last time I went topless on the beach. It broke my heart.

The evening before my operation, 30th September 2014, I cried a river and really wanted to leave the hospital. But the cancer had to go for good even though it went I had to loose my dearest friend.

The day of the operation I had to wear these nice white socks, a nice dress which was totally open on the back and a beanie on my head which my friend‘s sister designed for me. And there it was, the look of cancer. Totally naked, no hair at all, dark eye patched, dry skin, broken nails and so lonely that I could fall apart the next minute. As if the cancer wanted ti get me the next minute and say:“Here I am, we can go, death has been waiting for you for a while but somehow you don‘t want to come.“

No this isn‘t it. I did not want to leave and I didn‘t want anyone to see me like this, so dead, so upset, so ready to leave this world behind me. Until today I know that I want to live and that my life has been far too short until now and there are still so many things I want to do. The more I think about that the more the more death vanishes. It feels like someone has pressed the reset button.

No this isn‘t it. I did not want to leave and I didn‘t want anyone to see me like this, so dead, so upset, so ready to leave this world behind me. Until today I know that I want to live and that my life has been far too short until now and there are still so many things I want to do. The more I think about that the more the more death vanishes. It feels like someone has pressed the reset button and I had the chance to start the computer again.

Su nachdenklichFrom being a blonde with long hair who didn‘t know where this journey is going to I got pulled out of life into being a bold head to become a new person with a pixie haircut who now enjoys life and now I know what I want.

I don‘t say it very often anymore that I had cancer only if someone is asking why I have to go to hospital or why I don‘t have kids yet.

And then I get to hear: „Oh I wouldn‘t have thought that you had cancer, you don‘t look like it at all. Well I didn‘t see the cancer in me before, I only felt it.

5 Antworten auf “Der Krebslook / The look of cancer”

  1. Krebs ist dieses fiese gemeine Ding, das einen zwingt das Leben zu überdenken und zu ändern. Und das ist die Kehrseite der Medaille.. manchmal entdeckt man wundervolle Dinge, die einem vorher nicht zugänglich waren. Wenn ich in deinem Blog stöbere, denke ich, daß auch du viel gefunden hast, was dich verändert und geformt hat. Hut ab für deine Kraft und Stärke und den Humor mit dem du diesem fiesen Ding immer wieder zeigst: Nicht mit mir!! Liebe Grüsse, Heike

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  2. Liebe Sue,
    toll, dass Du so offen über das Thema schreibst. Aber die Krankheit macht den Menschen nicht aus, wie Du zeigst, sondern wie Du für Dein Leben kämpfst.
    Ich wünsche Dir alles Liebe und viele schöne Momente und Gedanken.
    Ginger

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  3. Liebe Sue, ja, man sieht einem die Krankheit oft nicht an…. “ Du siehst aus wie das blühende Leben“, Du strahlst so“ usw. Auch wenn es nach außen oft so scheint, als wäre alles in Ordnung, ist es aber nicht. Ich mache ja auch gerade wieder so eine tolle Schubphase mit… und kenne diese Hoch und Tiefs nur zur gut…. Ich glaube wir haben einige Gemeinsamkeiten und lassen uns einfach nicht unterkriegen.. Dir alles Liebe, Deine Christine!

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